Das olympische Feuer ist auf dem Weg
nach London. In 78 Tagen durchquert der olympische Fackellauf einen
Großteil Großbritanniens und kündigt die bevorstehenden
olympischen Spiele an. Ganz in der Tradition des antiken Brauchs
lenken wir unser Augenmerk auf das sportliche Großereignis. In der
Serie „London Calling“ nehmen wir einige Disziplinen unter die
Lupe, denen nur selten das Interesse der Öffentlichkeit gilt. Den
Anfang macht eine Sportart die sich seit 1912 im olympischen Programm
wiederfindet, der moderne Fünfkampf.
Peking 2008: Nur noch um die letzte
Kurve, dann hat sie es geschafft. Nach einem anstrengenden
Wettkampftag hat Lena Schöneborn im abschließenden 3000m–Lauf
einen Vorsprung von 16 Sekunden auf die Zweitplatzierte Heather
Fells. Dabei verlief ihr Start in den Tag alles andere als glücklich.
Am Schießstand erreicht sie nur 177 von 200 möglichen Ringen, ein
mäßiges Ergebnis und gleichbedeutend mit dem 20. Platz. Doch auf
der Planche soll sich das Blatt wenden. Im Gefecht mit dem Degen
besiegt Schöneborn 28 Konkurrentinnen und klettert überraschend auf
den 1. Platz. In ihrem Element, dem Wasser verteidigt sie ihre
Spitzenposition mit persönlicher Bestzeit und kann sich auf dem
Rücken von Springpferd Xingxing sogar einen Fehler leisten. Nun geht
es in den abschließenden Geländelauf – 3000m gegen sich selbst
und die Britin Fells. Die startet 20 Sekunden nach ihr und macht
gewaltigen Druck. Doch Schöneborn hält mit aller Kraft dagegen,
passiert die 2500m – Marke und hat noch genügend Vorsprung. Die
letzte Kurve, die Zielgerade, sichtlich erschöpft und ein wenig
ungläubig überquert die deutsche Fünfkämpferin die Ziellinie. Sie
reckt die Arme in die Höhe und schüttelt den Kopf – Lena
Schöneborn ist Olympiasiegerin.
Einen deutschen Olympiasieger im
modernen Fünfkampf, dass gab es zuvor nur einmal. 1936 gewann Gotthard
Handrick in Berlin die Goldmedaille. Danach sollte für 72 Jahre kein
deutscher Athlet mehr auf dem Podium stehen. Dabei hat die Sportkampf
olympische Tradition. Seit 1912 kämpfen Athleten aus aller Welt um
olympisches Gold im modernen Fünfkampf. Die Disziplin, die sich grob
an den antiken Pentathlon anlehnt, wurde von Pierre de Coubertin
initiiert und sollte eine Art „Allround-Athleten“ hervorbringen.
Schließlich erfordern die fünf Teildisziplinen unterschiedlichste
Fähigkeiten. Während beim 3000m-Crosslauf und dem 200m
Freistil-Schwimmen Kondition und Kraft gefragt sind, ist beim
Schießen, Reiten und Fechten das Einfühlungsvermögen und die
koordinative Fähigkeit von großer Bedeutung. Die Komplexität
erhöht den Trainingsaufwand und so ist es nicht verwunderlich, dass
in den Anfängen vor allem Mitglieder des Militärs und der Polizei,
deren Arbeitsfeld große Überschneidungen mit den auszuübenden
Teildisziplinen aufwies, den Sport ausübten.
Doch die Homogenität der Teilnehmer
lockerte sich mit der Zeit auf. Nicht der einzige Wandel im modernen
Fünfkampf. So wurden zu den olympischen Spielen 1952 auch ein
Teamwettbewerb eingeführt, der seit 1992 allerdings nur noch bei
Weltmeisterschaften ausgetragen wird. Dafür wird seit Sydney 2000
auch eine weibliche Goldmedalliengewinnerin gesucht. Den wohl
einschneidendsten Wandel erfuhr die Sportart allerdings erst vor 3
Jahren. Seit 2009 wird, vor allem um das Zuschauerinteresse zu
erhöhen, der Fünfkampf zum „Vierkampf“. Es sind zwar nach wie
vor alle fünf Teildisziplinen Bestandteil des Wettbewerbs, doch aus
Schießen und Laufen wurde ein kombinierter Wettkampf, der dem
Biathlon ähnelt.
In London kommt diese Änderung zum
ersten Mal bei olympischen Spielen zum tragen. Dort werden jeweils 36
Athleten in Damen und Herrenkonkurrenz antreten und um olympisches
Edelmetall kämpfen. Auf einem guten Weg sind dabei auch die
deutschen Fünfkämpfer. Bei der Weltmeisterschaft (8. - 13. Mai)
zeigten sie sich in ansprechender Form. Am Ende standen ein
Weltmeistertitel (Damen-Staffel), eine Silbermedaille
(Herren-Staffel) und drei Top5-Platzierungen zu Buche. Das macht
Hoffnung für die olympischen Spiele, auch wenn die Konkurrenz aus
Russland und Großbritannien groß ist.
von Mattias Jahn
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