Freitag, 18. Mai 2012

London Calling

Das olympische Feuer ist auf dem Weg nach London. In 78 Tagen durchquert der olympische Fackellauf einen Großteil Großbritanniens und kündigt die bevorstehenden olympischen Spiele an. Ganz in der Tradition des antiken Brauchs lenken wir unser Augenmerk auf das sportliche Großereignis. In der Serie „London Calling“ nehmen wir einige Disziplinen unter die Lupe, denen nur selten das Interesse der Öffentlichkeit gilt. Den Anfang macht eine Sportart die sich seit 1912 im olympischen Programm wiederfindet, der moderne Fünfkampf.


Peking 2008: Nur noch um die letzte Kurve, dann hat sie es geschafft. Nach einem anstrengenden Wettkampftag hat Lena Schöneborn im abschließenden 3000m–Lauf einen Vorsprung von 16 Sekunden auf die Zweitplatzierte Heather Fells. Dabei verlief ihr Start in den Tag alles andere als glücklich. Am Schießstand erreicht sie nur 177 von 200 möglichen Ringen, ein mäßiges Ergebnis und gleichbedeutend mit dem 20. Platz. Doch auf der Planche soll sich das Blatt wenden. Im Gefecht mit dem Degen besiegt Schöneborn 28 Konkurrentinnen und klettert überraschend auf den 1. Platz. In ihrem Element, dem Wasser verteidigt sie ihre Spitzenposition mit persönlicher Bestzeit und kann sich auf dem Rücken von Springpferd Xingxing sogar einen Fehler leisten. Nun geht es in den abschließenden Geländelauf – 3000m gegen sich selbst und die Britin Fells. Die startet 20 Sekunden nach ihr und macht gewaltigen Druck. Doch Schöneborn hält mit aller Kraft dagegen, passiert die 2500m – Marke und hat noch genügend Vorsprung. Die letzte Kurve, die Zielgerade, sichtlich erschöpft und ein wenig ungläubig überquert die deutsche Fünfkämpferin die Ziellinie. Sie reckt die Arme in die Höhe und schüttelt den Kopf – Lena Schöneborn ist Olympiasiegerin.

Einen deutschen Olympiasieger im modernen Fünfkampf, dass gab es zuvor nur einmal. 1936 gewann Gotthard Handrick in Berlin die Goldmedaille. Danach sollte für 72 Jahre kein deutscher Athlet mehr auf dem Podium stehen. Dabei hat die Sportkampf olympische Tradition. Seit 1912 kämpfen Athleten aus aller Welt um olympisches Gold im modernen Fünfkampf. Die Disziplin, die sich grob an den antiken Pentathlon anlehnt, wurde von Pierre de Coubertin initiiert und sollte eine Art „Allround-Athleten“ hervorbringen. Schließlich erfordern die fünf Teildisziplinen unterschiedlichste Fähigkeiten. Während beim 3000m-Crosslauf und dem 200m Freistil-Schwimmen Kondition und Kraft gefragt sind, ist beim Schießen, Reiten und Fechten das Einfühlungsvermögen und die koordinative Fähigkeit von großer Bedeutung. Die Komplexität erhöht den Trainingsaufwand und so ist es nicht verwunderlich, dass in den Anfängen vor allem Mitglieder des Militärs und der Polizei, deren Arbeitsfeld große Überschneidungen mit den auszuübenden Teildisziplinen aufwies, den Sport ausübten.

Doch die Homogenität der Teilnehmer lockerte sich mit der Zeit auf. Nicht der einzige Wandel im modernen Fünfkampf. So wurden zu den olympischen Spielen 1952 auch ein Teamwettbewerb eingeführt, der seit 1992 allerdings nur noch bei Weltmeisterschaften ausgetragen wird. Dafür wird seit Sydney 2000 auch eine weibliche Goldmedalliengewinnerin gesucht. Den wohl einschneidendsten Wandel erfuhr die Sportart allerdings erst vor 3 Jahren. Seit 2009 wird, vor allem um das Zuschauerinteresse zu erhöhen, der Fünfkampf zum „Vierkampf“. Es sind zwar nach wie vor alle fünf Teildisziplinen Bestandteil des Wettbewerbs, doch aus Schießen und Laufen wurde ein kombinierter Wettkampf, der dem Biathlon ähnelt.

In London kommt diese Änderung zum ersten Mal bei olympischen Spielen zum tragen. Dort werden jeweils 36 Athleten in Damen und Herrenkonkurrenz antreten und um olympisches Edelmetall kämpfen. Auf einem guten Weg sind dabei auch die deutschen Fünfkämpfer. Bei der Weltmeisterschaft (8. - 13. Mai) zeigten sie sich in ansprechender Form. Am Ende standen ein Weltmeistertitel (Damen-Staffel), eine Silbermedaille (Herren-Staffel) und drei Top5-Platzierungen zu Buche. Das macht Hoffnung für die olympischen Spiele, auch wenn die Konkurrenz aus Russland und Großbritannien groß ist.

von Mattias Jahn

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