Samstag, 14. Januar 2012

16 Männer auf dem Weg nach London?

Morgen beginnt die Handball Europameisterschaft in Serbien. Das deutsche Team will seine letzte Chance auf ein Olympia-Ticket wahren. Martin Heuberger, der neue Cheftrainer der Nationalmannschaft, hat seinen Kader für diese wichtige Aufgabe bestimmt. Zweite Luft stellt euch das deutsche Team vor.

Tor: Silvio Heinevetter (Füchse Berlin), Carsten Lichtlein (TBV Lemgo)

Deutschland, das Land der Torhüter. Was im Fußball gilt, hat auch im Handball Bestand. Die Position des Torwarts ist seit Jahren exzellent besetzt. Auf den Torwart-Riesen Henning Fritz folgte Johannes Bitter und nach dessen Auszeit vom Nationalteam steht mit Silvio Heinevetter der nächste Klasse-Torhüter bereit. Heinevetter ist ein absoluter Leistungsträger in Verein und Nationalteam, der enorm ehrgeizig ist und das Duell mit dem gegnerischen Schützen liebt. Mit seinem unkonventionellen Spielstil kann er den Gegner zu Verzweiflung bringen und ein Spiel im Alleingang entscheiden. Zudem ist er ein Lautsprecher, der seine Mitspieler antreibt und für Konzentration sorgt. Der Zweite Torhüter im Team ist diesbezüglich eher ein ruhiger Vertreter. Carsten Lichtlein war in den vergangenen Jahren häufig der „unglückliche“ dritte Mann im DHB-Team. Doch der Lemgoer ist ein starker Ersatzmann und wird seine Leistung bringen. Dies bestätigte er mit bärenstarken Auftritten in den Vorbereitungsspielen gegen Ungarn. Ein dritter Torhüter wurde von Trainer Heuberger nicht in den Kader berufen, Martin Ziemer (HBW Balingen-Weilstetten) wurde kurz vor Turnierbeginn aussortiert.

Rechtsaußen: Christian Sprenger (THW Kiel), Patrick Groetzki (Rhein-Neckar Löwen)

Die Geschwindigkeit im deutschen Team kommt von Rechtsaußen. Sowohl Groetzki als auch Sprenger sind extrem sprintstarke Spieler und vor allem im Tempogegenstoß von großer Bedeutung. Dabei dürfte Christian Sprenger zunächst gesetzt sein. Der Kieler ist ein äußerst talentierter Spieler, hat mit 28 Jahren den großen Durchbruch aber noch nicht geschafft. Zu oft war er verletzt und konnte nur bedingt überzeugen. Wenn er allerdings fit ist und verletzungsfrei bleibt, darf man großes Vertrauen und einige Hoffnungen in ihn setzten. Auch sein Ersatzmann, Patrick Groetzki, bringt große Qualität mit. Der Youngster hat diese schon nachdrücklich beweisen können. Er lebt von seiner Athletik und könnte die große Überraschung des EM-Turniers werden. Auf Rechtsaußen sollten im EM-Verlauf keine großen Probleme entstehen. Allerdings ist man im Vergleich zur Linksaußen-Position schwächer besetzt. Denn Groetzki und Sprenger fehlt es noch an Strahlkraft, die einst Florian Kehrmann auf der rechten Seite verkörperte.

Rechter Rückraum:
Adrian Pfahl (VfL Gummersbach), Holger Glandorf (SG Flensburg-Handewitt)

Eigentlich ist die Position exzellent besetzt. Sind beide Spieler in Form, muss man sich um diese Position wenig Gedanken machen. Doch gerade Holger Glandorf gibt immer wieder Anlass zur Sorge. Der Flensburger hechelt im Nationalteam noch immer seiner Galaform von 2007 hinterher. Obwohl er in der Bundesliga ansprechende Leistungen zeigt (96 Tore/5,3 pro Spiel), fällt er im Nationalteam ins Leistungsloch und bleibt unsichtbar. Kommt Glandorf im Turnierverlauf in Form, ist er ein starker Rückraumspieler, der robust und dynamisch den Abschluss sucht. Hinter ihm steht Adrian Pfahl, ein torgefährlicher Spieler (103 Tore / 6,3 pro Spiel), der in der Bundesliga und im Nationalteam schon mit starken Leistungen überzeugen konnte. Doch dem Gummersbacher fehlt es an Klasse, um auch auf internationalem Topniveau konstante Leistungen abzurufen. Die rechte Rückraumposition könnte im Turnierverlauf von elementarer Bedeutung sein. Spielen Glandorf oder Pfahl stark, bieten sich nicht nur Räume für Pascal Hens, sondern auch für die Außen- und Kreisspieler. Ein starker Rückraum wird von Nöten sein, um ein konstantes Offensivspiel zu entwickeln.

Rückraum Mitte: Michael Haaß (Frisch Auf Göppingen), Martin Strobel (TBV Lemgo)

Seit dem Karriereende von Markus Baur (2008) findet sich keine adäquate Lösung in der Schaltzentrale. Mit Michael Kraus stand zwar ein Nachfolger parat, doch der Hamburger befindet sich im Leistungstief und wird nach einer Verletzung nicht am EM-Turnier teilnehmen können. Deshalb müssen Haaß und Strobel mit vereinten Kräften die Verantwortung dieser Position stemmen. Michael Haaß wird wohl das Vertrauen des Bundestrainers genießen und zunächst starten. Der Göppinger hat im Nationalteam bewiesen, dass auf ihn Verlass ist. Im Defensivbereich gehört Haaß zu den stärksten Spieler, doch in der Offensive fehlt es ihm an Torgefahr. Hinter ihm läuft Martin Strobel auf, der zwar etwas torgefährlicher ist, aber dafür in der Defensive deutlich schwächer spielt. Auf der Problemposition des deutschen Handballs mangelt es definitiv an einem Spieler von Weltklasseformat, der dem deutschen Angriffsspiel Struktur verleiht und in kritischen Situationen die Nerven behält. Da ein solcher Spieler nicht in Sichtweite ist, müssen Haaß und Strobel das Problem eindämmen und für sicheres, konstantes Offensivspiel sorgen.

Linker Rückraum: Pascal Hens (HSV Hamburg), Lars Kaufmann (SG Flensburg-Handewitt), Sven-Sören Christophersen (Füchse Berlin)

Die Königsposition ist mit drei Spieler besetzt. Die klare Nr.1 auf dieser Position ist allerdings Pascal Hens. Der Kapitän ist ein phänomenaler Shooter und hat in Bestform schon so manches Duell entschieden. Doch in den letzten Jahren fehlte im häufig die Beständigkeit, auch weil er immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen hatte. Allerdings litt er in der Nationalmannschaft ebenso am mangelhaften Offensivspiel. Zu selten wurde er in Szene gesetzt und konnte seine Qualitäten ausspielen. Dabei ist Hens Wurf eine starke Waffe. Findet Hens in seinen Wurfrhythmus ist er nur schwer zu stoppen, kann die Abwehr nach vorne locken und gefährlich zu den Kreis- oder Außenspielern passen. Hinter Hens steht mit Lars Kaufmann ein häufig diskutierter Spieler. Der Flensburger hat einen der härtesten Würfe in der Handballbundesliga. Doch viel zu häufig verlässt sich Kaufmann auf seine reine Wurfpower. Trifft er, kann er ein Spiel alleine entscheiden und den Gegner demoralisieren, wenn nicht findet er nur selten einen Weg aus der Krise und trifft schlechte Entscheidungen. Im Gegensatz zu Kaufmann bietet Sven-Sören Christophersen den deutlich variableren Spielansatz. Christophersen hat sich in der Bundesliga etabliert und beweist bei den Füchsen, dass er ein guter Rückraumspieler ist. Der Berliner könnte Kaufmann als Nr.2 ablösen und Pascal Hens einige Verschnaufpausen verschaffen.

Linksaußen:
Uwe Gensheimer (Rhein-Neckar Löwen), Dominik Klein (THW Kiel)

Besser kann man auf „Linksaußen“ nicht besetzt sein. Uwe Gensheimer ist der wohl derzeit beste Linksaußen weltweit. Der Mannheimer überzeugt in der Bundesliga und führt derzeit die Torschützenliste deutlich an. Gensheimer ist erst 25 Jahre alt, aber trotzdem schon ein kompletter Spieler. Er verfügt über unglaubliche Wurfvarianten und trifft aus allen Lagen. Sein Handgelenk ist magisch und lässt Gegenspieler oft verwundert zurück. Zudem ist „Gense“ ein exzellenter 7m-Schütze, der nur selten das Psycho-Duell mit dem gegnerischen Torhüter verliert. Auch in der Abwehr weiß er zu überzeugen und erweist sich vor allem in der „5-1 Deckung“ als gewiefter Verteidiger. An Gensheimer kommt auf Linksaußen derzeit niemand vorbei. Dennoch ist es gut, mit Dominik Klein einen exzellenten Ersatzmann in der Hinterhand zu haben. Der Kieler spielt eine exzellente Saison beim THW und wird vor allem für sein exzellentes Defensivspiel geschätzt. Auch seine Stärken liegen in der „5-1 Deckung“. Dort sorgt er für Verwirrung im gegnerischen Offensivspiel, kann Rückraumspieler isolieren und ist immer wieder für einen Ballgewinn oder einen Tempogegenstoß gut. Auch im Offensivspiel hat der Kieler seine Qualitäten, auch wenn Gensheimer ihm deutlich voraus ist.

Kreisläufer: Oliver Roggisch (Rhein-Neckar Löwen), Christoph Theuerkauf (TBV Lemgo), Patrick Wiencek (VfL Gummersbach)

In der Defensive wird Oliver Roggisch zum Einsatz kommen. Der 33-Jährige ist ein harter Verteidiger und nennt sich selbst „The Rogg“. Er ist seit Jahren ein wichtiger Bestandteil in der Nationalmannschaft und gilt als Defensivspezialist. Dort verleiht er der deutschen Mannschaft die nötige Stabilität. Sein größtes Handicap ist allerdings sein hartes Spiel. Zu häufig kassiert er Zeitstrafen und schwächt somit sein Team. Trotzdem ist Roggisch gesetzt und das auch zu Recht. Allerdings könnte er in einer 5-1 Deckung weniger Spielzeit bekommen. In der Offensive setzt Heuberger auf zwei körperlich robuste Kreisläufer. Sowohl Wiencek als auch Theuerkauf bringen exzellente körperliche Voraussetzungen für den Job als Kreisläufer mit und haben bewiesen, dass sie Torgefahr ausstrahlen. Allerdings fehlt es beiden Spielern an internationaler Erfahrung. Wiencek spielt gar sein erstes internationales Turnier, könnte aber trotzdem eine wichtige Rolle spielen. Der Gummersbacher gilt es großes Talent und ließ in der Vorbereitung sein Talent mehrfach aufblitzen. Obwohl er nicht ganz aus-trainiert erscheint, ist er nur schwer zu stoppen und auch in der Defensive eine Option.

von Mattias Jahn

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