Samstag, 14. Januar 2012

Titelkampf und Olympia-Angst

Morgen beginnt in Serbien die Handball Europameisterschaft und während es für das deutsche Team in erster Linie um einen der beiden verbliebenen Startplätze für das Olympia-Qualifikationsturnier geht, haben andere Nationen den Titel vor Augen. Zweite Luft erklärt euch den langen Weg des DHB-Teams nach London und stellt euch die vier Top-Favoriten auf den EM-Titel vor.


Glaubt man dem deutschen Handball-Experten schlechthin, Stefan Kretzschmar, so sollte sich das deutsche Team um Coach Martin Heuberger voll und ganz auf die Olympischen Spiele konzentrieren. Das Team ist noch nicht qualifiziert und eine Nicht-Teilnahme käme einem Desaster gleich. Die Europameisterschaft ist nun der letzte Weg zum Turnier in London.

Der Qualifikationsmodus ist kompliziert. Zwölf Teams dürfen beim Olympischen Turnier im Sommer an den Start gehen. Sechs qualifizieren sich direkt, sechs weitere über sogenannte Qualifikationsturniere. Bisher konnten sich folgende Teams qualifizieren: Großbritannien (Gastgeber), Frankreich (Weltmeister), Argentinien (Amerikameister) und Südkorea (Asienmeister). Der Europameister von Serbien qualifiziert sich ebenso direkt wie der Sieger der Afrikameisterschaft, die in Marokko ausgetragen wird. Sollten die Franzosen auch den EM-Titel gewinnen wäre der Finalgegner direkt qualifiziert. Anfang April finden dann die Qualifikationsturniere statt, bei denen jeweils zwei Startplätze für London vergeben werden. Durch die Weltmeisterschaft im letzten Jahr dürfen bereits folgende Teams an den Quali-Turniere teilnehmen: Schweden, Dänemark, Spanien (alle Gastgeber), Kroatien, Ungarn und Island. Außerdem dabei: Brasilien, Chile und Japan. Ein afrikanischer Vertreter wird noch ermittelt. Ab Sonntag geht es dann in Serbien noch einmal um zwei Tickets, für die beiden besten Teams, die noch nicht direkt für London oder für eines der Quali-Turniere qualifiziert sind.

Praktisch bedeutet das:

Im besten Fall würde dem deutschen Team ein 9. Platz reichen. Dann nämlich, wenn auf den Plätzen 1-7 die bereits qualifizierten Teams stehen. Im ungünstigsten Falle müsste man allerdings 3. werden, wenn im Finale zwei noch nicht qualifizierte Mannschaften stehen sollten (z.B. Serbien und Polen). Weitere Konkurrenten um die begehrten Plätze sind übrigens: Tschechien, Norwegen und Russland.


Frankreich - Und dann?

Frankreich wird das alles ziemlich egal sein. Sie sind direkt für London qualifiziert und gehen wieder einmal als absoluter Topfavorit in diese Europameisterschaft. Das Team von Trainer Claude Onesta hat die letzten vier großen Turniere gewonnen und ist auf allen Positionen exzellent besetzt. Omeyer, Karabatic und Dinart heißen die großen Stars, die auf internationaler Bühne Zuhause sind und folglich eine Menge Erfahrung mitbringen. Aber auch der Rest des Teams gehört zur absoluten Weltklasse und besticht durch seine Physis, Athletik und Schnelligkeit. Die einzige Frage wird sein, ob sich so ein hochdekoriertes Team in einem Olympia-Jahr für eine Europameisterschaft ausreichend motivieren kann.

Schärfster Konkurrent dürfte Dänemark sein. Der Europameister von 2008 hatte die Franzosen im letztjährigen WM-Finale am Rande einer Niederlage und geht mit einem eingespielten Team in das Turnier. Auch die Dänen können mit Mikkel Hansen und Hans Lindberg auf Individuelle Klasse zurückgreifen, haben jedoch auch hochkarätige Ausfälle zu verkraften. Barcelona-Star Jesper Noddesbo wird nach seinem Bandscheibenvorfall nicht mit dabei sein und auch der Einsatz von Kreisläufer Michael Knudsen erscheint nach einem Muskelfaserriss zumindest fraglich.

Ebenfalls zum Favoritenkreis gehört das Team aus Spanien. Die „Seleccion“ um Coach Valero Rivera, möchte nach dem WM-Titel 2005 endlich mal wieder zum großen Wurf ausholen. Die Mannschaft ist äußerst erfahren und profitiert immer wieder von schnellen Kontern über ihre Außen Garcia und Rocas. Aber auch am Kreis bringen sie die gegnerische Verteidigung immer wieder in Schwierigkeiten. Selber spielen sie eine 5:1-Deckung, mit der viele Gegner nur schwer zurechtkommen. Im Tor muss man allerdings auf seinen starken Rückhalt Arpad Sterbik verzichten, der nach einer Herz-Operationen noch nicht wieder auflaufen kann.

Letzte Nation, die sich durchaus Hoffnungen auf eine Medaille machen kann, ist Kroatien. Die Unterstützung der eigenen Anhänger dürfte ihnen, aufgrund der kurzen Anreise, gewiss sein und man sollte sich als Gegner auf eine aufgeheizte Atmosphäre gefasst machen. Vielleicht können ja die Fans die letzten Prozentpunkte aus den Spielern herauskitzeln, die in den vergangenen Turnieren so oft gefehlt haben. In der Heimat wird dem Weltmeister von 2003 und Olympiasieger von 1996 und 2004 bereits nachgesagt, dass ihm das Siegergen abhanden gekommen sei. Dabei besitzt man doch mit Balic, Duvnijak und Vori ausgezeichnete Spieler und auch die kroatische Deckung gilt als äußerst unangenehm. Vori sowohl vorne als auch hinten als unermüdlicher Arbeiter und Balic, der ein Spiel auch mal alleine zum Sieg lenken kann.

Diese vier Teams gelten sicherlich als heißeste Anwärter auf den Europameistertitel, doch darf man den Gastgeber Serbien nicht aus den Augen lassen, die angestachelt vom Publikum (21 000 Zuschauer in der Arena Belgrad) sicherlich zu Großem fähig sein könnten. Zudem haben sie mit Momir Illic einen absoluten Topmann aus der Handball Bundeliga in ihren Reihen. Desweiteren ist bei großen Turnieren immer mit einem Team aus Schweden und den kampfstarken Isländern zu rechnen.

von Jonas Docter

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen