Dortmund gegen Bayern. Das war der „Giganten-Gipfel“, das „Duell auf Augenhöhe“ und „Die Vorentscheidung im Titelkampf“. Schon Wochen im Voraus konnte man das lesen, hören und sehen. Die Psychospielchen, die der BVB, aber vor allem auch der FC Bayern in Perfektion beherrschen. Tagelang ist von „Sticheleien“ oder den sogenannten „Kampfansagen“ die Rede, die nach den Spielen durch die Mikrofone der Journalisten vom Ruhrpott auf den Weg an die Isar geschickt werden, und umgekehrt. Am Mittwoch war es dann soweit, 80000 Fans im Stadion und mehrere Millionen vor den TV-Geräten brennen auf den Anpfiff. Spannung und Druck werden zu geflügelten Worten des TV-Reporters und der größte Teil davon lastet auf den Schultern der 22 Spieler auf dem Rasen.
Dieses Duell war von Anfang an kein normales Fußballspiel und um den Bogen zur Szene in der 84. Minute zu spannen, der Gefoulte, Arjen Robben, war von Anfang an kein normaler Spieler. Ein außergewöhnlicher Fußballer mit sensationellen Momenten, aber auch mit einem Hang zur Theatralik. Er provoziert und polarisiert und das anscheinend nicht nur die Fans auf den Rängen. Nun scheitert er mit einem kümmerlichen Versuch an Roman Weidenfeller und katapultiert den BVB ein großes Stück näher an die silberne Schale. Subotic explodiert, rennt zu Robben und brüllt ihm ins Gesicht. Er schlägt ihn nicht, er tritt ihn nicht und er spuckt ihn auch nicht an! Nein er brüllt seine Freude oder seine Abneigung gegen Robben oder den FC Bayern heraus. Genauso, wie so mancher BVB-Fan vom Sofa aufspringt und sein TV-Gerät oder seinen rot-weiß gekleideten Sitznachbarn anbrüllt. Fünf Sekunden später ist alles wieder vorbei. In solchen Situationen muss es im Fußball erlaubt sein, Emotionen zu zeigen und wenn es sein muss auch mal dem Gegenspieler.
Ähnlich verhält sich die Situation nach dem Sieg der Dortmunder im DFB-Pokal in Fürth. Auch hier ist im Vorfeld vieles geschrieben worden und der spätere Protagonist der Szene, Gerald Asamoah, war daran nicht ganz unbeteiligt. Dass Vollblut-Borusse und Heißsporn Kevin Großkreutz dort nun einige passende oder unpassende Worte für seinen Gegenspieler fand, darf und kann man als Außenstehender nicht verurteilen. (Da nichts bewiesen ist, gehe ich jetzt davon aus, dass Kevin Großkreutz Gerald Asamoah nicht rassistisch beleidigt hat.) Natürlich kann sich der Zuschauer auf dem heimischen Sofa fragen, warum er nicht einfach seine ganze Erleichterung in die eigene Kurve schreit, oder mit seinen Mitspielern feiert. Dann sollte man Demjenigen aber auch den Unterschied zwischen seiner Situation auf dem Sofa und der von Großkreutz auf dem Rasen erklären. Das ist Sport! Das ist Wettkampf und natürlich muss es nicht sein, dass man vor seinen Gegenspielern jubelt, es muss erlaubt sein!
Das „Nachspiel“
Denkwürdig hingegen ist der Auftritt einiger Borussen nach dem Abpfiff. Der BVB hat das Spiel mit 1:0 gewonnen und SKY-Reporter Sebastian Hellmann kündigt Roman Weidenfeller als „Helden des Abends“ an. Leider wird er dieser Rolle im Interview nicht im Geringsten gerecht. Während der Fernsehzuschauer aufgrund eindeutiger TV-Bilder bereits weiß, dass es sich um einen berechtigten Elfmeter handelte, unterstellt Weidenfeller dem Gefoulten Robben eine Schwalbe. Er selbst gehe nur „ganz normal“ zum Ball und habe Robben nicht berührt. Wenn habe dieser eingefädelt.
Hat das der nahezu frisch gebackene Deutsche Meister nötig, der das Spiel gerade mit 1:0 gewonnen hat? Sich hinzustellen und jegliche Schuld von sich zu weisen? Klasse hätte gehabt den eigenen Fehler zuzugeben und vielleicht ein wenig Selbstkritik zu üben. Selbst der Fußball-Laie dürfte nämlich erkannt haben, dass er niemals in diese Situation gehen musste. Warum beschreibt er den Fans nicht wie groß der Stein war, der ihm vom Herzen gefallen ist, als er den Ball in seinen Händen spürte?
Auch der andere Mann des Tages, Neven Subotic, bewertet die Aktion als ganz klare Schwalbe und hoffte auf Gott, dies zu bestrafen. Zudem antwortet er auf die Frage, was er Arjen Robben noch für einen Spruch gedrückt habe, mit den Worten: Dass er keine Lust auf Schwalben habe oder „Irgendwas in der Art“. Dabei grinste er wie ein Schulbube auf Klassenfahrt, der seiner Lehrerin soeben Zahnpasta unter die Türklinke geschmiert hat. Ist das sympathisch? Oder doch nur ein lächerlicher Versuch sich nun im Nachhinein als Saubermann zu präsentieren? Niemand hätte ihn verurteilt, wenn er sein Ausbruch mit einem „riesigen Berg an Adrenalin“ oder einer „Kurzschlussreaktion im Eifer des Gefechts“ begründet hätte. Dann hätte er vielleicht noch etwas flapsig nachgeschoben, dass sowas nach dem Abpfiff alles wieder vergessen sei. So aber sorgt der Serbe vielleicht im ersten Moment für einen Schmunzler, riskiert aber gleichzeitig seine Glaubwürdigkeit zu verlieren.
BVB-Coach und Liebling der Nation, Jürgen Klopp, ließ bei seinem Interview an einigen Ecken ebenfalls eine sachliche Analyse vermissen. Er spricht von einem „hochverdienten“ Sieg und davon, dass man das nicht hätte besser spielen können. Zudem sei es außergewöhnlich, was sich sein Team für Chancen herausgespielt habe. Ein Wort zum Gegner? Zum FC Bayern, der vor allem in der zweiten Halbzeit über weite Strecken die bessere Mannschaft war und große Möglichkeiten hatte das Spiel auszugleichen? Fehlanzeige! Für Demut oder Anerkennung für den Gegner scheint in der Stunde des großen Erfolgs keinen Platz zu sein. „Wahnsinns-Truppe“ und „Geiler Fußball“ sind die Begriffe die mittlerweile in inflationärer Häufigkeit die kloppschen Äußerungen durchziehen und etwas von aufgewärmter Konservenkost haben. Die Fans lieben es, doch beim Gegner steht man so schnell als abgehoben und selbstzufrieden dar. Aber so ist er, der „Pöhler“ und er wird sich nicht verbiegen lassen. Vom Stil eher ein forscher, leidenschaftlicher „Mourinho-Typ“, der sich aber von den großen Heynckes‘ und Guardiolas in Sachen Professionalität noch ein wenig abschauen kann.
Fakt ist, dass man dem BVB sicherlich nicht die Größe absprechen kann, indem man die beiden Gefühlsausbrüche von Subotic und Großkreutz als Beweis für ungesittetes Verhalten auf dem Fußballplatz anführt. Vielmehr läuft die Mannschaft Gefahr, durch selbstgefällige Interviews und unsachliche Äußerungen etwas von ihrem Charme und ihrer Unverdorbenheit einzubüßen. Das was die Fans in Deutschland lieben, ist diese Natürlichkeit, dieser Spielwitz und diese Unbekümmertheit, die sie zum Beispiel vom, in vielen Augen, unfehlbaren, stets perfekten und alles überragenden FC Bayern München, unterscheidet. Dortmund erfrischt und Dortmund begeistert. So sollte es auch bleiben! Man möchte den Jungs zurufen: „Bleibt so, wie ihr seid!“
von Jonas Docter
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