Samstag, 14. April 2012

Die auf die Nüsse gehn

Spektakuläre Boxkämpfe sind mittlerweile so selten, dass sie eigentlich unter Artenschutz stehen müssten. Nur sporadisch fesseln Boxkämpfe noch vor dem TV-Gerät und ziehen den Zuschauer in ihren Bann. Dies liegt vor allem an der großen Fallobstepidemie und dem Trend zum Ausdauerlauf mit Boxelementen. Traut sich allerdings einmal ein wirklich faszinierender Faustkampf aus dem Dickicht der falschen Versprechungen und der Belanglosigkeit, ist der Genuss nur von kurzer Dauer. Ein Kommentar


Kaum ist das TV-Gerät warm gelaufen – pfeffern schon die ersten Werbesalven aus dem Fernseher. Zielgruppengerecht wird diverses Hopfengebräu, multifunktionales Bohrmaschinenfutter und formvollendetes Fortbewegungsmittel angepriesen. In der Vorberichterstattung ist dies zu ertragen und wird auch geduldet, schließlich will der Kampf finanziert werden. Zudem wird die Phase vor dem Kampf zumeist anderweitig, zur angeregten Fachsimpelei und zum Bier- und Chipsverzehr genutzt.

Doch kaum beginnt der Kampf und sorgt für Stimmung, juckt es die Fernsehmacher in den Fingern. Sobald der Gong ertönt, wird man mit Werbung bombardiert. Links und rechts schlägt es lautstark ein. Die gnädigen Sender bieten während der Werbung ein Mini-Bild aus der Boxarena an. Ganz nach dem Motto: Wir wollen mal nicht so sein. Während nun alles enger zusammenrückt und vor dem Bild im Bild zu erkennen versucht, ob Zbik nun einen Cut hat oder nicht, schalmeit es aus den Boxen: „Warum kaufen sie ihre Brille bei Fielmann?“. Müsste die elementare Fragen nun nicht lauten: Warum kann ich trotz Fielmann nicht erkennen, welche Ringecke gerade im Minibild zu sehen ist? Nach „nur 30 Sekunden“ geht es weiter und die stille Hoffnung, dass man in der nächsten Ringpause nicht in die Werbung gehen möge, bleibt bestehen. Doch wie sollte es auch anders kommen – mit dem Rundengong zaubert sich die Werbemaske erneut auf das TV-Gerät. „Fühlen sie sich manchmal auch verspannt?“ Um ehrlich zu sein, ich fühle mich gerade einfach nur verarscht. Während ich mich auf Boxsport der Extraklasse gefreut habe und mir in der Ringpause ein Bild von Felix Sturms Zustand machen will, muss ich älteren Herren bei der Anwendung von Schmerzsalben zusehen. Ohne Frage Schmerzsalben sind nützlich und sinnvoll – doch mich schmerzt gerade nur die verpasste Ringpause und dagegen hilft keine Salbe auf dieser Welt.

Die Frustration steigt mit der Anzahl der Ringpausen. Während eine Fanzösin einen gewissen Haraldé nach einem Brausegetränk mit prickelnder Wirkung fragt, würde mich prickelnd interessieren, welche Tipps Fritz Sdunek seinem Kämpfer gerade mit auf den Weg gegeben hat. Stattdessen zeigt mir Kai Pflaume seine maschinengebürsteteten Beißer, danke!
Während der Kampf an Dramatik gewinnt und die Spannung während der Runden steigt – scheint der Sender nach dem Konzept „unser Werbeblock wird heute Abend mit Boxen garniert“ zu agieren. Um dem ganzen die Krone aufzusetzen wird nach der neunten Runde wie gewohnt in die Werbung umgeleitet. Während irgendwer seine Haare mit „Gott-weiß-was“ dopt, gibt Zbik vor lauter Erschöpfung auf. Sein Trainer hat das Handtuch geworfen. All das muss man sich zusammen dichten, wenn man dem Gebaren auf dem Mini Bild oben links folgt. Statt umgehend aus der Werbung zurückzuschalten, wird allerdings fleißig für Baumärkte geworben. Nachdem der Boxkampf in der Werbepause entschieden wurde – geht es dann doch live zurück in die Arena. Mit der kurzen Information: „Der Boxkampf ist vorbei!“, wirft der Reporter mehr Fragen auf, als er beantworten kann. Doch statt das Verpasste aufzuarbeiten, nutzt man die Gunst der Stunde um gleich in den nächsten Werbeblock zu leiten. „Haben sie nicht schon immer von einer messerscharfen Spaltaxt geträumt?“. Zum ersten Mal eine Frage, die ich wirklich beantworten will. Denn genau davon hab ich geträumt, um diesem Werbewahnsinn ein Ende zu setzten. Denn am Ende eines Schlagabtausch auf allerhöchstem Niveau habe ich nicht eine Ringpause gesehen, dafür aber die komplette Produktpalette eines Supermarktes für Männer kennen gelernt. Dabei ist meine Kauflust keineswegs gestiegen. Stattdessen habe ich entschieden solange kein Bier in meinem Bauchnabel prickeln zu lassen, geschweige denn Schmerzsalbe zu verwenden oder mir die Zähne von einer Maschine bürsten zu lassen, bis dieser abartige Werbeunsinn ein Ende hat.

von Mattias Jahn

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