Donnerstag, 17. November 2011

König auf zwei Rädern

Von dieser Woche dürfte Stefan Bradl schon als Kind geträumt haben. In Valencia gewinnt er seinen ersten Weltmeistertitel und unter die Glückwünsche, mischt sich ein Angebot aus der MotoGP, der höchsten Klasse in der Motorrad-WM. Der 21-Jährige Augsburger scheint am Ziel seiner Träume.

Es war noch einmal ein aufregendes Saisonfinale im spanischen Valencia. Bradls einziger Konkurrent um den Titel, der Spanier Marc Marquez, sagte seinen Start verletzungsbedingt ab und gratulierte dem Bayer bereits am Samstag zum vorzeitigen Titelgewinn. Somit knallten in der Box des Kiefer-Racing-Teams die ersten Korken bereits nach der Qualifikation und der heiß ersehnte Zweikampf am Sonntag, sollte nur noch zu einem abschließenden Schaulaufen des neuen Weltmeisters werden. Bradl startete von Position vier und beendete seine Saison unsanft im ostspanischen Kiesbett. Sturz in Runde Fünf! Das dürfte sich der junge Deutsche anders vorgestellt haben. So wollte er dieses erfolgreiche Jahr nicht abschließen. Bradl ist Vollblutrennfahrer und absoluter Perfektionist, auch in diesem, eigentlich bedeutungslosen Rennen, wollte er die Ziellinie überqueren. Möglichst als Erster!

Unmittelbar nach dem Rennen, dürfte die Enttäuschung jedoch wieder in den Hintergrund gerückt sein und auch die Freude über seinen Titel, kam nur gemäßigt zum Vorschein. Zu frisch waren die Erinnerungen an Marco Simoncelli, der beim Rennen in Malaysia, durch einen Unfall ums Leben kam. Nie lagen Triumph und Tragödie im Motorsport so eng beisammen wie in diesen Wochen. Über das Risiko dieses Sports muss wohl kein Rennfahrer mehr aufgeklärt werden, doch nach Shoya Tomizawa ist Simoncelli nun bereits der zweite Todesfall innerhalb von nur 13 Monaten. Gerade für die jungen Piloten, wie Stefan Bradl, war und wird es immer eine Herausforderung sein, damit umzugehen. Sobald der letzte Motorenlärm erlischt und die Helme abgenommen sind, werden aus Konkurrenten Freunde und wenn man fast ein ganzes Jahr gemeinsam um die Welt reist, entsteht eine große „Motorsport-Familie“.

Deshalb war es für Bradl eine Ehrensache, die Stunde seines größten Triumphes, dem verlorenen Familienmitglied zu widmen. „This World Championship is for you – SuperSic“ stand auf einer Fahne, die er bei der Siegerehrung präsentierte. Simoncellis Startnummer, die 58, umrahmt von einem roten Herz.

Vielleicht kam es Stefan Bradl sehr gelegen, dass er nach dieser aufregenden Saison nicht viel Zeit zum Nachdenken hatte. Der frisch gebackene Weltmeister hatte noch gar nicht alle Glück wünschenden Hände geschüttelt, da stellte ihm das Honda LCR-Team eines ihrer Motorräder vor die Tür. Die Belohnung für eine harte Saison, ein Test auf einem MotoGP-Bike. Der große Traum von der Königsklasse war eigentlich schon ausgeträumt, doch jetzt schien er ihn wieder einzuholen. Bradl überzeugte bei den Tests in Valencia und sorgte für staunende Gesichter bei den Verantwortlichen im LCR-Team. Zum ersten Mal auf einer MotoGP-Maschine, beherrschte und verstand er sein Arbeitsgerät sofort. Per Handschlag wurde ein Vertrag für die nächste Saison vereinbart, der in den nächsten Tagen auch in schriftlicher Form unterzeichnet werden soll.

Die Welle des Erfolgs hat Bradl ihn in nur drei Jahren von der kleinsten, 125er-Klasse, in die größte Klasse der Motorrad-WM getragen. Nach Alex Hofmann wird er damit erst der zweite Deutsche sein, der in der MotoGP an den Start gehen wird. Ein kometenhafter Aufstieg, den der deutsche Motorradrennsport um ein Haar gar nicht erlebt hätte.

2007 war es, da schien der damals 17-Jährige Bradl seine Kritiker zu bestätigen. Er fühlte sich dem Druck des Rennsports nicht mehr gewachsen und beendete seine junge Karriere. Nach nur drei Monaten kam er jedoch zurück und kämpfte sich in den nächsten vier Jahren genau dorthin, wo er als Kind schon immer sein wollte. Auf das Podium mit der Nummer 1. Der Platz des Weltmeisters!

von Jonas Docter

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