Freitag, 2. Dezember 2011

Der „FC-Moment"

Der 1. FC Köln gehört zweifelsfrei zu den Traditionsklubs der Fußball-Bundesliga. Die Stadt, die Fans, die Mentalität – einzigartig. Doch ganz normal ist dieser Verein nicht. Kaum eine Woche vergeht, in der die Kölner nicht einen Bock schießen.

Vor knapp drei Wochen war es wieder so weit. FC-Präsident Wolfgang Overath sprach vor 2422 versammelten Mitgliedern in der Kölner Arena, folgende Worte: „Mit Ende der heutigen Mitgliederversammlung treten wir von unseren Ämtern als Präsident und Vizepräsidenten des 1. FC Köln zurück.“ Rumms! Da war er wieder, der „FC-Moment“. Wo sich sowohl eingefleischte FC-Anhänger als auch so manch neutraler Fan des runden Leders fragt: „Kommt dieser Verein eigentlich irgendwann mal zur Ruhe?“. Mitten in der Saison und ohne Vorwarnung an Mannschaft und Fans, stehen die Domstädter plötzlich ohne Präsident da. Mal was Neues. Aber irgendetwas ist immer. Genau dann, wenn die Mannschaft sich sportlich stabilisiert hat, sorgt ein Moment wie jener wieder für Kopfschütteln.

Es war Anfang des Jahres und der junge Trainer Frank Schäfer hatte die Mannschaft zurück in die Erfolgsspur geführt. In Köln sprach man von einem „echten Team“ und Liebling Lukas Podolski zeigte, beflügelt vom neuen Kapitänsamt, seine beste Leistung seit seiner Rückkehr. Gerade im heimischen Müngersdorf mauserte man sich zu einer echten Macht. Die Bayern und Werder Bremen wurden mit Niederlagen nach Hause geschickt und die Geißböcke gewannen sechs Heimspiele in Serie. Der Name „Schäfer“ war in der Stadt allgegenwärtig und die Fans schauten schnell wieder über die Grenzen der Republik hinaus, ins so lange ersehnte Europa. Kopenhagen, Valencia oder Mailand, alles war möglich unter Reiseleiter Frank Schäfer. Typisch Köln halt. Fehlte nur noch, dass die Kölner Boulevardpresse ein Bahnticket nach Barcelona auf die Titelseite druckte. Köln identifizierte sich mit der Mannschaft und vor allem mit ihrem Trainer. Kurz darauf war es jedoch wieder an der Zeit: Erst gab Schäfer bekannt, dass er in der nächsten Saison nicht mehr Trainer der Geißböcke sein werde und drei Spieltage vor Saisonende schmiss er sein Amt gar mit sofortiger Wirkung hin. Private Gründe. Rumms! Die Mannschaft war wieder auf dem Boden der Tatsachen und die Fans gedanklich wieder auf Kölner Stadtgebiet.

Im Mai verpflichtete man dann den norwegischen Trainer Stale Solbakken. Von ihm erhoffte man sich nicht nur eine erfolgreiche Saison, sondern sehnte sich auch mal nach einer ruhigen und gewissenhaften Vorbereitung auf die neue Spielzeit. Man wollte anknüpfen an die Leistungen vom Saisonende und den Blick eher nach oben denn nach unten richten. „Der FC gehört nach Europa“. Und viele Fans waren durchaus optimistisch. Es dauerte aber nicht lange, da strandete ein weiterer „FC-Moment“ am Rheinufer der Domstadt. Bei den Boulevardzeitungen liefen die Drucker heiß und nicht wenige FC-Anhänger liefen Sturm gegen den neuen Coach. Skandal! Stale Solbakken hatte es gewagt, in aller Öffentlichkeit, am Thron des Stadtheiligen zu sägen. Der Norweger entmachtete Lukas Podolski als Kapitän und bestimmte Pedro Geromel zum Nachfolger. Rumms! Das hat mal wieder gesessen. K.o. für die ruhige Saisonvorbereitung. Von nun an drängten zahlreiche Journalisten zum Geißbockheim mit oft nur einer einzigen Frage auf dem Notizblock: „Warum ist der Prinz nicht mehr Kapitän?“.

Die Frage ist durchaus angebracht. Aber noch vielmehr quält die treue Anhängerschaft die allgemeine Frage, warum seit Jahren das Chaos und die stetige Selbstzerstörung herrschen. Ob Vorstand, Trainer, Spieler, Fans oder Medien, irgendjemand schafft es immer, dem geliebten „Effzeh“ ein Bein zu stellen. Quo vadis? Europa oder Mittelmaß? Ein seriös arbeitender, erfolgreicher Fußballverein oder weiterhin ein Kuriositätenkabinett? Der 1.FC Köln – ein Rätsel.

Die Mannschaft und der Verein haben Potential. Nicht zuletzt durch dieses fanatische Umfeld. Zum Vorschein kommt es allerdings nur dann, wenn Ruhe einkehrt. Und das Wort „Ruhe“ ist im Kölner Wortschatz ähnlich rar gesät wie die Altbier-Kneipen in der Stadt. Dieses Wort gab es in der Vergangenheit nicht und wird es auch in absehbarer Zeit nicht geben. Denn neben Wolfgang Overath als Präsident, legten auch seine Stellvertreter Jürgen Glowacz und Friedrich Neukirch ihre Ämter auf der Mitgliederversammlung nieder. Ein neuer Vorstand soll erst nächstes Jahr gewählt werden. Bis dahin wird wohl wieder wild spekuliert und diskutiert, doch was der FC braucht, ist vor allem eines. Eine neue Struktur. Eine klare Linie in seinen Entscheidungen. Die Fans müssen das Handeln der Klub-Bosse wieder nachvollziehen können, damit endlich einmal Ruhe einkehrt. In diesen Klub, in diese Stadt, wo Zusammenhalt eigentlich großgeschrieben wird.

von Jonas Docter

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