Champions League: Bayer 04 Leverkusen - FC Chelsea (2:1)
Flutlichtatmosphäre in der Champions-League. An einem magischen Abend trifft die Werkself auf Chelsea. Ein emotionales Duell und ein wundersamer Unparteiischer. Am Ende ist ein Innenverteidiger der große Held. Eine Reportage.
Ächzend quält sich die Blechlawine Richtung Leverkusen. Die regennasse Autobahn ist dicht verstopft vom späten Feierabendverkehr und der miserablen Verkehrsführung. Nur noch 2 Stunden bis zum Anpfiff. Rhythmisch prasselt der Regen aufs Autodach, die Scheibenwischer surren im Takt. Im Inneren ist die Stimmung noch getrübt, das dürftige Vorankommen erstickt die Vorfreude. Nach einer gefühlten Ewigkeit entspannt sich die Verkehrslage ein wenig. Abfahrt Leverkusen, endlich! Doch in der Leverkusener Innenstadt gestaltet sich die Parkplatzsuche schwieriger als gedacht. Hätten wir bloß das offizielle „Park & Ride“ Angebot wahrgenommen – schon wieder Stau. Eine Stunde bis zum Anpfiff. Die Luft im Auto ist schwer, die Biervorräte sind aufgebraucht. „Klong“ mit einem metallischen Krachen schlägt die rot-weiße Schranke hoch – doch noch ein Parkplatz. Vorbei am Bahnhof stapfen wir durch die Parkanlage, Richtung Stadion. Der Park liegt dunkel dar, nur einige Polizeischeinwerfer erleuchten die Szenerie. Von den englischen Fans ist noch nichts zu sehen. Trotzdem ist die Polizeipräsenz an diesem Abend stark erhöht. Durch eine Absperrung schlängeln wir uns weiter in den Park. Hinter den Baumkronen liegt die Bayrena. Der starke Regen hat sie in eine Dunstglocke gehüllt. Das Flutlicht fängt sich im Nebel und das Stadion strahlt hell über dem dunklen Park.
Vor dem Stadion mehrt sich das Aufkommen an Fans merklich. Fanzines werden angeboten und ebenso die gängigen Spielschals. Obwohl die Zeit recht knapp ist entscheiden wir uns für einen kleinen Abstecher. Über eine kleine Brücke drängen wir uns auf den verstopften Gehweg. An der Ecke Bismarckstraße/ Am Stadtpark liegt unser Ziel, eine kleine „Fanoase“. Ein kleiner Wagen verkauft gekühltes Blondes in verschiedensten Varianten zu kleinen Preisen. Wir decken uns ein, während ein Fan neben uns fabuliert: „Der Ballack knallt denen heute eins rein.“ Dann kehren wir um und werden vom Fantross in Richtung Stadion getragen. Vor dem Stadion zieht eine Gruppe englischer Fans an uns vorbei und skandiert lautstark: „Chelsea, Chelsea!“. Leverkusener Fangesänge sind nur einzeln zu vernehmen, doch wer hätte auch etwas anderes erwartet. Langsam macht sich das Fußball-Fieber breit. Durch die Einlasskontrolle, die an diesem Abend ihrem Namen nicht verdient hat, drängen wir uns ins Stadion. Der Fanshop wird aufgesucht und eine Mischung aus Sammelleidenschaft und Lokalpatriotismus verleitet mich zum Kauf eines Fanschals. Eigentlich wollten wir schon längst in unseren roten Plastikschalen sitzen, doch der Duft des naheliegenden Grill ist zu verlockend. Kaum stehen wir in der langen Schlange, ertönt die „Champions-League-Hymne“ aus der Stadionboxen. Leichte Panik macht sich breit, den Anstoß wollen wir nun wahrlich nicht verpassen. Ohne Stadionwurst werden die steilen Außentreppen bezwungen. Oberrang Gegengerade, links hinter der Fankurve. Wir drängen uns in die Sitzreihe blicken aufs Grün und in diesem Moment betreten auch die beiden Teams die Wiese. Gleich geht es los, endlich Champions-League. Endlich Fußball.
Die Anfangsphase verläuft unerwartet. Die „Blues“ stehen tief in der eigenen Hälfte und Leverkusen drängt auf den Führungstreffer. Traumpass Castro, Kießling kann ihn nicht kontrollieren – herzlicher Applaus aus dem Langnese-Block. Trotz der Überlegenheit will Leverkusen kein Tor gelingen. Derweil scheint das Grün auf David Luiz eine besondere Anziehungskraft auszuüben – zum wiederholten Mal bleibt er lange liegen, nur um sich kurz danach hektisch winkend von der Außenlinie zurückzumelden. Apropos Hektik – der Schiedsrichter bringt eben diese so langsam ins Spiel. Schon wieder pfeift er Freistoß. Unverständnis bei Michael Ballack. Fragwürdige Entscheidung – drei Reihen vor uns fliegt der erste Bierbecher. Ecke Leverkusen, Castro führt aus, Ballack mit dem Kopf an die Latte. Friedrich will nachsetzen, Luiz mit dem Kopf auf Kniehöhe – der Schiedsrichter fällt drauf rein – hohes Bein. Mich reißt es zum ersten Mal aus der Sitzschale – Pfeifkonzert für den „Unparteiischen“. Den scheint das nicht zu interessieren, stattdessen zückt er reflexartig die gelbe Karte als Kießling sich beschwert. Leverkusen lässt sich irritieren und verliert die Ordnung. Drogba tanzt Leno aus doch der Winkel ist zu spitz. Auf den Ränge kippt mittlerweile die Stimmung, der Schiedsrichter macht sich hier wirklich keine Freunde. Terry schubst Ballack, der Pfiff bleibt aus und dann pfeift er auch noch auf Zuruf von Sturridge. Jetzt sitzt hier keiner mehr – gellende Pfiffe. Vor lauter Wut fehlen mir die Worte, meinem Sitznachbarn versagt währenddessen die Stimme. Pausenpfiff und der Schiedsrichter wird mit lauten „Schieber“ - Rufen in den Kabinengang geschickt.
Jetzt erstmal den Kopf frei bekommen, wir eilen zur Bierbude. Umgehend stellt sich die Erkenntnis ein, dass Champions-League-Bier stets alkoholfrei ist. Auf Gerstensaft muss also verzichtet werden, stattdessen eine Bratwurst für den leeren Magen. Kurz vor dem Anpfiff wieder zurück zu den Sitzplätze – die Stimmung ist immer noch gereizt. „Das der Hoyzer wieder pfeifen darf“, schreit mein Sitznachbar in Richtung Spielfeld.
von Mattias Jahn
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