Freitag, 2. Dezember 2011


Fußball Bundesliga:
1.FC Köln - Borussia Mönchengladbach (0:3);
Borussia Dortmund - FC Schalke 04 (2:0)

Zwei absolute Klassiker innerhalb von 19 Stunden. Ein Rheinisches Derby auf Kölner Gourmet-Plätzen und das Revierderby in unmittelbarer Nähe zur Gelben Wand. Zwei völlig unterschiedliche Derbys und zwei völlig unterschiedliche Fußballerlebnisse. Eine Reportage.

Freitag, 25.November, 17:30 Uhr (1.FC Köln – Borussia Mönchengladbach)

Abfahrt Richtung Müngersdorf. Mit dem Auto. Wir lassen den Bahnhof links liegen und reihen uns ein in die Blechkolonne in der Kölner Innenstadt. Unmittelbar neben der Bahn. Ein neues Gefühl. Im Radio läuft Coldplay und tönt hinweg über das Martinshorn der zahlreichen Polizeiwagen und die Fangesänge der FC-Anhänger am Alten Militärring. Ich trinke einen Energy-Drink. Im VIP-Ticket mit inbegriffen, ein Ausweis für das Parkhaus in unmittelbarer Nähe zum Stadion. Wie angenehm! Vor uns ein laut röhrender Aston Martin, hinter uns ein schwerer Mercedes. Wir fahren einen Polo. Ich öffne die Beifahrertür, die bis jetzt nahezu schalldicht anmutete, und vernehme, wo wir sind. Beim Derby! Dem Derby am Rhein. Die legendäre Schlacht zwischen Geißböcken und Fohlen. Unterhalb von uns bewegt sich ein roter Strom in Richtung Stadion. „Und wir schmeißen Stein auf Stein, auf die Elf vom Niederrhein…“. Wir verlassen die Herde von Mantelträgern aus dem Parkhaus und schließen uns an. Die Wiese vor dem Stadion ist bereits heller erleuchtet als das Grün im Stadion. Die Polizei hat sich mit Absperrgittern und hunderten Mannschaftswagen auf die Ankunft der Gladbacher vorbereitet. Derbystimmung kommt auf! Wir betreten das Stadion und werden persönlich willkommen geheißen und in die Loge geführt. Mahlzeit!

Samstag, 26. November, 13:15 Uhr (Borussia Dortmund – FC Schalke 04)

Zu Fuß geht es zur Straßenbahnhaltestelle. Überall in der Stadt hängen schwarz-gelben Fahnen aus den Fenstern. Mit Kleidung anderer Farbkombination gehört man heute definitiv zur Minderheit. Eine Stadt im Derby-Fieber! Mit uns betreten zwei Schalke-Anhänger die Bahn und sehen sich einer, mehr oder minder freundlichen, Begrüßungsarie ausgesetzt. „Wir wollen keine blau-weißen Parasiten. Schwarz-gelb ist der Ruhrpott!“. Es bleibt friedlich. Fachlich fundierte Fachsimpelei auf Seiten der Dortmunder. Thema: Die Formation des geliebten Ballspielvereins Borussia oder die Alternative für Kevin Großkreutz auf der rechten Außenbahn. Naja, Kloppo wird’s schon machen! Ein Großteil steigt am Stadion aus. Wir fahren noch einen Halt weiter. Kurze Stärkung in fester Form und dann auf in die Borussen-Kneipe „Bürgermeister Lindemann“. Auf den Bildschirmen läuft die 2.Liga-Konferenz, doch das interessiert hier niemanden. Die Stimmung ist eine Klasse für sich. Wer jetzt noch nicht weiß, dass Derby-Zeit ist, der lebt hinter dem Mond. Beziehungsweise außerhalb des Ruhrgebiets. Gänsehaut! Zu Fuß sind es nur noch ein paar hundert Meter zum Stadion. Über den Walk of fame des BVB. Wir betreten unseren Block und stehen direkt vor ihr. Der Dortmunder Südtribüne. Der legendären Gelben Wand. Noch nie habe ich eine imposantere Tribüne gesehen. Gigantisch!

Freitag, 25. November, 19:00 Uhr (1.FC Köln – Borussia Mönchengladbach)

Eineinhalb Stunden vor Anpfiff. Die roten Stadionschalen außerhalb unserer glasverkleideten Loge füllen sich langsam. Was man von der Schlange am Buffet nicht behaupten kann. „Schnitzel vom Schweinelachs mit Waldpilzsauce, dazu Gratinkartoffeln und Prinzessbohnen in Kräuterbutter.“ Großartig! Wir bestücken unsere Teller und suchen uns einen Tisch. Schwierig! Alle freien Tische waren den Sponsoren des Vereins vorenthalten. Bleibt uns nur ein Stehtisch im Eingangsbereich. Unmittelbar neben einer weißen Leinwand, vor der sich Besucher in gewünschter Pose ablichten lassen können. Die Stadionatmosphäre vermisse ich. An den Tischen sitzen Damen und Herren in angeregter Konversation miteinander. Teilweise gekleidet mit einem Schal. Hier und da ein Trikot. Wir stellen uns ein zweites Mal am Buffet an und bekommen nur dank der großen Flachbildschirme mit, dass die Mannschaften den Rasen betreten. Stimmung in der Loge? Fehlanzeige! Es schmeckt wohl zu gut. Dies ändert sich dann ein wenig, als FC-Spieler Petit den Raum betritt und gut gelaunt Autogrammwünsche erfüllt. In der Spitze zählte die Schlange vor seinem Tisch zehn Personen. Der Rest speiste. 15 Minuten vor Anpfiff nehmen wir unsere Plätze im Stadion ein. Bequem gepolstert. Direkt neben dem Gästeblock, in dem tausende Gladbacher Schlachtenbummler bereits ordentlich für Alarm sorgen. Endlich! Stimmung! Die Logenplätze um uns herum sind noch leer. Vermutlich, weil es ja auch noch fünf Minuten bis zum Anpfiff sind. Ich begrüße meine Sitznachbarin und sie blickt verwundert auf meine leeren Hände. „Sie wissen schon, dass Sie sich hier Bier, Kaffe, Chips und Eis mit raus nehmen dürfen!?“ Ich nicke selbstverständlich, um nicht als VIP-Neuling enttarnt zu werden. Dann endlich erklingt die FC-Hymne. Die Loge ist voll. Der Gladbacher Anhang zündet eine gehörige Menge Pyrotechnik und hüllt die komplette Nordtribüne in einen dichten Nebel. Man mag dazu stehen wie man will, aber bei mir kommt endlich Derbystimmung auf! Gänsehaut! „Come on FC!“.

Samstag, 26. November, 15:15 Uhr (Borussia Dortmund – FC Schalke 04)

Die Atmosphäre ist überragend! Fast 75 000 schwarz-gelbe Fans feiern ihren verletzten Sven Bender. Das Blau im Stadion ist noch sehr überschaubar. Zaunfahnen werden aufgehangen und die Stimmbänder eingesungen. Vergeblich, denn vor der Südtribüne präsentiert BVB-Idol Nobby Dickel die Mannschaftsaufstellung. Ein Höllenlärm! Barrios und Kuba in der Startelf, dafür Shinji und Großkreutz auf der Bank. Alles klar! Überraschungstaktik! Dann laufen die Mannschaften ein. „Heja BVB!“ Überwältigend! Wen das kalt lässt, der liebt dieses Spiel nicht! Obwohl wir Sitzplätze haben, sitzt im Block Süd-West 38 niemand. „Ich habe die ganze Saison noch nicht eine Minute gesessen!“, heißt es. Der BVB ist dominant. Freistoß Schmelzer von rechts, Lewandowski mit dem Kopf und dann muss das Leder wohl drin gewesen sein. Anders kann ich mir die gefühlten fünf Liter Bier auf meiner Jacke und den Plastikbecher an meinem Hinterkopf nicht erklären. Ich bleibe standhaft, bin ja schließlich kein Linienrichter. Das Stadion kocht. Wir liegen uns in den Armen. 1:0 Dortmund.

Freitag, 25. November, 20:30 Uhr (1.FC Köln – Borussia Mönchengladbach)

Der Nebel ist allmählich verzogen und ein längeres Stehenbleiben als unbedingt notwendig, wird mit einem stumpfen „Hinsetzen!“ quittiert. Verstanden! Die Kölner beginnen schwach. Nach 70 Sekunden ist Rensing das erste Mal gefordert. Glanzparade! „1.Fußballklub Köln…“ schwappt von der Südtribüne zu uns herüber und wird hier verhalten mitgesummt. Viel interessanter finden die Besucher eine pantomimische Darbietung zweier Fans, die sich anscheinend gegenseitig gerne die Köpfe abschneiden würden. Bis Hanke dann das 0:1 für Gladbach macht. Freude und Ernüchterung, aber wenigstens ist der Kopf noch dran. Dann schnappt sich Arrango die Kugel zum Freistoß. 0:2! Karneval in schwarz-grün. Der Mob tobt. „Die Nummer eins am Rhein sind wir!“. Neben uns verlässt man bereits jetzt die Plätze um sich dem Gaumenschmaus im Inneren zu widmen. Nach dem Pfiff des Schiedsrichters und einiger Hobby-Schiedsrichter auf den Rängen, schließen wir uns an. Kölsch und Currywurst. Herrlich! Jedoch nicht ganz stilecht im Porzellanschälchen. Trotzdem gut! Ein zweites Kölsch geht noch, dann laufen die Mannschaften wieder ein. Einen Großteil scheint das aber nicht zu interessieren. Es wird seelenruhig weitergegessen. Für einen Moment spiele ich mit dem Gedanken mir ein Eis zu holen. „Ach komm, was soll‘s. Bist ja heute VIP!“ Ich nehme die Karamell-Variante und prompt verpassen wir den Anpfiff. Noch auf der Treppe sehen wir wie Hanke zum 0:3 einschiebt. Was ist denn hier los? Die Motivation der Kölner Spieler scheint heute ähnlich zu sein, wie die der VIPs. Denn erst in der 50. Minute hat auch der Letzte seinen inneren Schweinehund überreden können und begibt sich wieder in die Kälte. Und das bei einem Derby!

Samstag, 26. November, 16:05 Uhr (Borussia Dortmund – FC Schalke 04)

Unnerstall, Unnerstall, immer wieder Unnerstall. Einzig der Gästekeeper verhindert einen weiteren Becherhagel. Neben uns stürzt ein Fan. Die steile Treppe hat anscheinend durch einen gleichmäßigen Bierfilm etwas an ihrer Griffigkeit eingebüßt. Obacht! In der Halbzeitpause muss man sich entscheiden. Bier oder Toilette? Wir stellen uns gut gelaunt an Letzterer an und wäre das Bierfass nicht leer gewesen, hätten wir sogar noch das geschafft. Naja. Die Drangphase der Knappen sehen wir in den Katakomben. Dann Eile! Rechtzeitig zur Bierdusche sind wir wieder auf unseren Plätzen. Hummels mutterseelenallein vor Unnerstall, legt per Kopf quer, Barrios vergibt, doch Santana trifft im Nachschuss. 2:0. Die Entscheidung! Jetzt gibt es kein Halten mehr. „Derbysieger, Derbysieger!“. So etwas muss jeder Fußballfan mal erlebt haben! Einzigartig! Kurz vor Schluss kommt dann noch Publikumsliebling Kevin Großkreutz. Das Stadion feiert. Auf der anderen Seite gelingt es nur noch den Fans mit einer Pyroshow einen Akzent zu setzen. Enttäuschende Leistung der Blauen. Uns war es recht. Nach dem Abpfiff klettert die komplette Dortmunder Mannschaft auf den Zaun vor der gelben Wand und lässt sich feiern. „Deutscher Meister ist nur der BVB!“. Das muss es sein, wofür man als Fußballer lebt. Unbeschreiblich! Ein geiles Derby!

Freitag, 25. November, 21:55 Uhr (1.FC Köln – Borussia Mönchengladbach)

Gladbach nimmt ein wenig Tempo raus. Die Fans nicht. Sie feiern sich und ihre Mannschaft. Und vor allem Marco Reus! Die Kölner Anhänger verlassen bereits jetzt in Scharen das Stadion. Die Höchststrafe für die Mannschaft. 15 Derby-Minuten vor halbleeren Rängen. Eine Schmach! Es passiert nicht mehr viel. Selten hat der Abpfiff dem Kölner Spiel so gut getan wie heute. Die Spieler nähern sich vorsichtig, mit gesenktem Haupt der Südtribüne, doch werden relativ rasch von einem gellenden Pfeifkonzert in die Flucht geschlagen. Wieder eine Derby-Niederlage zuhause! Wir bleiben noch eine Weile und schauen den Gladbachern beim Feiern zu. Dann wird es zu kalt. Drinnen wird das Buffet ein drittes Mal eröffnet. Der ein oder andere hat scheinbar Hunger wie vor dem ersten Mal und lädt sich seinen Teller mutig voll. Wir schauen uns die Interviews im TV an. FC-Coach Solbakken nennt das ausgefallene Spiel gegen Mainz als ein Grund für die Niederlage und der Kölner Stadionreporter fragt den gelbgesperrten Martin Lanig, wann er denn wieder einsatzfähig wäre. Ohne Worte! Aber das passt ja zur Leistung des FC an diesem Abend. Ein enttäuschendes Derby!

von Jonas Docter

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