Freitag, 22. Juni 2012

Nur Mut, Jogi Löw!



Ein Bundestrainer, der keine Fehler macht

Jogi Löw macht keine Fehler. Dieser Eindruck entsteht zumindest, wenn man betrachtet wie sich die vereinzelte Kritik am Bundestrainer immer wieder in Luft aufzulösen scheint. Besonders im Vorfeld von großen Turnieren waren seine Planungen hin und wieder ein Streitpunkt.

Oft handelte es sich dabei um personelle Entscheidungen. 2008 durfte Christoph Metzelder die Abwehr der Nationalmannschaft organisieren, obwohl er kein Stammspieler bei Real Madrid war und darüber hinaus erst kurz vorher eine Bänderverletzung kuriert hatte. 2010 sorgte Löws Mannschaft mit jungen Spielern wie Mesut Özil, Sami Khedira und Thomas Müller erst für Überraschung bei den Experten und später auch bei der Weltöffentlichkeit.

Die Vorbereitung zur diesjährigen EM war nicht nur sportlich durchwachsen, sie fiel mit nur zwei Testspielen auch extrem kurz aus. Ganz gleich, ob die kontroversen Entscheidungen von Löw sich auf Personalien bezogen, oder struktureller Art waren, festzuhalten blieb am Ende wieder einmal, dass die Ergebnisse und Leistungen der Mannschaft überzeugten. Und so steht für das DFB-Team nach einer makellosen Qualifikation nun auch das Viertelfinale zu Buche. Drei Siege in drei Spielen – Deutschland ist die einzige Nation ohne Punktverlust! Als Lohn geht es heute Abend gegen Griechenland.

Angesichts dieser Bilanz fällt es nicht leicht Kritik zu äußern. Doch irgendwie hat man das Gefühl, dass die deutsche Mannschaft noch nicht ihr ganzes Potential bei dieser Europameisterschaft abgerufen hat. Teilweise wirkt das Team gehemmt. Das mag sicherlich daran liegen, dass man sich in einer starken Gruppe behaupten musste. „Verlieren verboten!“ – Das Motto der Vorrunde. Der Defensivfußball prägt bisher das Bild der EM und so agierte auch die Truppe von Jogi Löw in ihren ersten drei Spielen aus einer gesicherten Defensive. Mit Erfolg, aber ohne den spielerischen Glanz, der hierzulande schon zur Erwartungshaltung gehört.

Das schwere Erbe von Südafrika

Die WM von Südafrika erweist sich bereits jetzt schon als schweres Erbe. Viele Gegner lassen sich vom deutschen Spiel nicht mehr überrumpeln und sind vom Anpfiff an darauf bedacht, der DFB-Elf jeglichen Raum für ihr Kombinationsspiel zu nehmen. Folglich stehen Top-Spieler, wie Özil oder Gomez im Fokus der gegnerischen Defensivspieler und in der Kritik der Presse. Dabei hakt das Spiel im Wesentlichen gar nicht an ihnen.

Die Schwierigkeiten des Offensivspiels der Nationalmannschaft liegen eher auf den Außerpositionen der offensiven Dreierreihe im Mittelfeld. Mit Lukas Podolski und Thomas Müller spielt dort das bekannte Paar der letzten Weltmeisterschaft. Beide weisen grundsolide Statistiken in der Nationalmannschaft auf und sind Spieler, deren Einsatzwillen nur selten in Frage steht. Jedoch gilt für Beide – Die Saison verlief bescheiden und die persönliche Form ist nicht auf Top-Niveau.

Betrachtet man Podolskis Situation, steht die gute persönliche Leistung, der abgelaufenen Bundesliga-Saison, dem Abstieg mit dem 1. FC Köln gegenüber. Für den Rheinländer natürlich ein Wermutstropfen, grade weil er sich mit einem Abstieg aus der Domstadt verschwindet und nach London geht.
Die Freude scheint ihm auch auf dem Platz zu fehlen. Seinen bisherigen Auftritten bei der EM fehlte stets der Spielwitz. Offensiv zaghaft, fehlten die klaren Bewegungen zu Grundlinie oder in den Raum, mit denen er sich für den Passgeber anbieten soll. Das Zusammenspiel mit Lahm wirkte darüber hinaus häufig starr. Kaum konsequentes Hinterlaufen, kaum Flanken von außen. Über die linke Seite von ist bisher kein Tor erspielt worden.
Gegen diese Kritik steht natürlich das 1:0 gegen Dänemark in seinem 100. Länderspiel. Die Bewegung in die Mitte passte und Podolski konnte den, von Gomez abgefälschten Ball, verwerten und mit dem schwachen Rechten ins Tor bugsieren. Dass Podolski nach diesem Tor wieder auf Tauchstation ging, ist wiederum bezeichnend für die Form des Noch-Kölners. Zu Gute halten muss man ihm, dass er nicht in Aktionismus verfällt. Er spielt gewissenhaft seinen Part im Mittelfeld, hat wenige Fehlpässe und arbeitet solide in der Defensive.

Auf der Gegenseite gibt es mit Müller ein vergleichbares Problemkind. Er konnte in dieser Saison die Leistungen der Vorjahre nicht ganz aufrecht erhalten. Dabei soll das Vize-Triple der Bayern keine vordergründige Rolle für das leise Formtief spielen. Müller war auch in guten Bayern-Phasen häufig genug nicht auf seinem höchsten Niveau. Er zeigt in Polen und der Ukraine bislang wenig von seiner Torgefahr. Auffällig ist, wie selten er in die Mitte zieht, von wo aus er in der Nationalmannschaft häufig seine Tore erzielte. Genau wie Podolski zeigt er zu wenige Optionen für Passgeber wie Mesut Özil und im Zusammenspiel mit den Außenverteidiger-Kollegen ist ebenfalls Luft nach oben. Ironischer Weise liefert Müller seien einzige Torvorlage für Podolski. Das verdeutlicht, wie hoch das Niveau ist, auf dem man kritisiert.

Der Makel des Jogi Löw

Vielleicht findet sich in diesem Zusammenhang dann eben doch ein Kritikpunkt am Bundestrainer. Akribisch leistet er seine Arbeit. Niemand kennt die Mannschaft so genau und kann besser beurteilen, wem das Vertrauen gebührt. Allerdings stellt sich eine Frage: Fehlt Joachim Löw der Mut seine erfolgreiche Startelf zu verändern?

Es wäre einfach sich auf die Spieler zu verlassen, die in der Vorrunde solide und erfolgreich gespielt haben. Sollte man in der K.o.-Phase scheitern, würde man eine Veränderung direkt damit in Verbindung bringen. Aber der Ertrag für das Spielerische könnte so hoch sein. Es gibt viele Varianten die sich mit den Ersatzspielern des Kaders anbieten. Enormes Potential wartet auf der Bank und könnte der Mannschaft Impulse verleihen. Allerdings muss man es wagen, dieses Potential frei zu setzen.
Jogi Löw hat, angefangen mit dem Projekt-Klinsmann, dem deutschen Fußball Stück für Stück ein neues Gesicht gegeben. Jetzt hat er die Möglichkeit einer Mannschaft viele Gesichter zu geben. Grade im viel beschworenen Duell mit Spanien könnte dies ein entscheidender Faktor sein.

Für das Spiel gegen Griechenland hat Löw bereits angekündigt: „Ich scheue mich nicht davor, weitere Entscheidungen zu treffen und zu verändern, weil wir gute Spieler in der Hinterhand haben.“ Darauf möchte man entgegnen: Nur Mut, Jogi Löw!

Von Bernd Küchler

1 Kommentar:

  1. Jogi hat´s gelesen und gleich die Formation verändert...

    AntwortenLöschen