Jogi
Löw macht keine Fehler. Dieser Eindruck entsteht zumindest, wenn man betrachtet
wie sich die vereinzelte Kritik am Bundestrainer immer wieder in Luft
aufzulösen scheint. Besonders im Vorfeld von großen Turnieren waren seine
Planungen hin und wieder ein Streitpunkt.
Oft
handelte es sich dabei um personelle Entscheidungen. 2008 durfte Christoph
Metzelder die Abwehr der Nationalmannschaft organisieren, obwohl er kein
Stammspieler bei Real Madrid war und darüber hinaus erst kurz vorher eine
Bänderverletzung kuriert hatte. 2010 sorgte Löws Mannschaft mit jungen Spielern
wie Mesut Özil, Sami Khedira und Thomas Müller erst für Überraschung bei den
Experten und später auch bei der Weltöffentlichkeit.
Die
Vorbereitung zur diesjährigen EM war nicht nur sportlich durchwachsen, sie fiel
mit nur zwei Testspielen auch extrem kurz aus. Ganz gleich, ob die kontroversen
Entscheidungen von Löw sich auf Personalien bezogen, oder struktureller Art
waren, festzuhalten blieb am Ende wieder einmal, dass die Ergebnisse und Leistungen
der Mannschaft überzeugten. Und so steht für das DFB-Team nach einer makellosen
Qualifikation nun auch das Viertelfinale zu Buche. Drei Siege in drei Spielen –
Deutschland ist die einzige Nation ohne Punktverlust! Als Lohn geht es heute
Abend gegen Griechenland.
Angesichts
dieser Bilanz fällt es nicht leicht Kritik zu äußern. Doch irgendwie hat man
das Gefühl, dass die deutsche Mannschaft noch nicht ihr ganzes Potential bei
dieser Europameisterschaft abgerufen hat. Teilweise wirkt das Team gehemmt. Das
mag sicherlich daran liegen, dass man sich in einer starken Gruppe behaupten
musste. „Verlieren verboten!“ – Das Motto der Vorrunde. Der Defensivfußball
prägt bisher das Bild der EM und so agierte auch die Truppe von Jogi Löw in
ihren ersten drei Spielen aus einer gesicherten Defensive. Mit Erfolg, aber
ohne den spielerischen Glanz, der hierzulande schon zur Erwartungshaltung
gehört.
Das schwere Erbe von
Südafrika
Die
WM von Südafrika erweist sich bereits jetzt schon als schweres Erbe. Viele
Gegner lassen sich vom deutschen Spiel nicht mehr überrumpeln und sind vom
Anpfiff an darauf bedacht, der DFB-Elf jeglichen Raum für ihr Kombinationsspiel
zu nehmen. Folglich stehen Top-Spieler, wie Özil oder Gomez im Fokus der
gegnerischen Defensivspieler und in der Kritik der Presse. Dabei hakt das Spiel
im Wesentlichen gar nicht an ihnen.
Die
Schwierigkeiten des Offensivspiels der Nationalmannschaft liegen eher auf den
Außerpositionen der offensiven Dreierreihe im Mittelfeld. Mit Lukas Podolski
und Thomas Müller spielt dort das bekannte Paar der letzten Weltmeisterschaft.
Beide weisen grundsolide Statistiken in der Nationalmannschaft auf und sind
Spieler, deren Einsatzwillen nur selten in Frage steht. Jedoch gilt für Beide –
Die Saison verlief bescheiden und die persönliche Form ist nicht auf
Top-Niveau.
Betrachtet
man Podolskis Situation, steht die gute persönliche Leistung, der abgelaufenen
Bundesliga-Saison, dem Abstieg mit dem 1. FC Köln gegenüber. Für den
Rheinländer natürlich ein Wermutstropfen, grade weil er sich mit einem Abstieg
aus der Domstadt verschwindet und nach London geht.
Die
Freude scheint ihm auch auf dem Platz zu fehlen. Seinen bisherigen Auftritten
bei der EM fehlte stets der Spielwitz. Offensiv zaghaft, fehlten die klaren
Bewegungen zu Grundlinie oder in den Raum, mit denen er sich für den Passgeber
anbieten soll. Das Zusammenspiel mit Lahm wirkte darüber hinaus häufig starr.
Kaum konsequentes Hinterlaufen, kaum Flanken von außen. Über die linke Seite
von ist bisher kein Tor erspielt worden.
Gegen
diese Kritik steht natürlich das 1:0 gegen Dänemark in seinem 100. Länderspiel.
Die Bewegung in die Mitte passte und Podolski konnte den, von Gomez
abgefälschten Ball, verwerten und mit dem schwachen Rechten ins Tor bugsieren.
Dass Podolski nach diesem Tor wieder auf Tauchstation ging, ist wiederum
bezeichnend für die Form des Noch-Kölners. Zu Gute halten muss man ihm, dass er
nicht in Aktionismus verfällt. Er spielt gewissenhaft seinen Part im
Mittelfeld, hat wenige Fehlpässe und arbeitet solide in der Defensive.
Auf
der Gegenseite gibt es mit Müller ein vergleichbares Problemkind. Er konnte in
dieser Saison die Leistungen der Vorjahre nicht ganz aufrecht erhalten. Dabei
soll das Vize-Triple der Bayern keine vordergründige Rolle für das leise Formtief
spielen. Müller war auch in guten Bayern-Phasen häufig genug nicht auf seinem
höchsten Niveau. Er zeigt in Polen und der Ukraine bislang wenig von seiner
Torgefahr. Auffällig ist, wie selten er in die Mitte zieht, von wo aus er in
der Nationalmannschaft häufig seine Tore erzielte. Genau wie Podolski zeigt er
zu wenige Optionen für Passgeber wie Mesut Özil und im Zusammenspiel mit den
Außenverteidiger-Kollegen ist ebenfalls Luft nach oben. Ironischer Weise
liefert Müller seien einzige Torvorlage für Podolski. Das verdeutlicht, wie
hoch das Niveau ist, auf dem man kritisiert.
Der Makel des Jogi Löw
Vielleicht
findet sich in diesem Zusammenhang dann eben doch ein Kritikpunkt am
Bundestrainer. Akribisch leistet er seine Arbeit. Niemand kennt die Mannschaft
so genau und kann besser beurteilen, wem das Vertrauen gebührt. Allerdings
stellt sich eine Frage: Fehlt Joachim Löw der Mut seine erfolgreiche Startelf
zu verändern?
Es
wäre einfach sich auf die Spieler zu verlassen, die in der Vorrunde solide und erfolgreich
gespielt haben. Sollte man in der K.o.-Phase scheitern, würde man eine
Veränderung direkt damit in Verbindung bringen. Aber der Ertrag für das
Spielerische könnte so hoch sein. Es gibt viele Varianten die sich mit den
Ersatzspielern des Kaders anbieten. Enormes Potential wartet auf der Bank und
könnte der Mannschaft Impulse verleihen. Allerdings muss man es wagen, dieses
Potential frei zu setzen.
Jogi
Löw hat, angefangen mit dem Projekt-Klinsmann, dem deutschen Fußball Stück für
Stück ein neues Gesicht gegeben. Jetzt hat er die Möglichkeit einer Mannschaft
viele Gesichter zu geben. Grade im viel beschworenen Duell mit Spanien könnte
dies ein entscheidender Faktor sein.
Für
das Spiel gegen Griechenland hat Löw bereits angekündigt: „Ich scheue mich
nicht davor, weitere Entscheidungen zu treffen und zu verändern, weil wir gute
Spieler in der Hinterhand haben.“ Darauf möchte man entgegnen: Nur Mut, Jogi
Löw!
Jogi hat´s gelesen und gleich die Formation verändert...
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